Organisationsentwicklung | Glossar

Hintergrundinformationen

Organisationsentwicklung

Organisationsentwicklung (OE) ist ein ganzheitliches Konzept, um geplanten Wandel in Organisationen systematisch und nachhaltig umzusetzen. Es handelt sich um eine Strategie des geplanten und systematischen Wandels, die durch gezielte Veränderungen der Organisationsstruktur, der Unternehmenskultur und des individuellen Verhaltens herbeigeführt wird – und zwar unter größtmöglicher Beteiligung der Betroffenen. Ziel der Organisationsentwicklung ist es, die Organisation effektiver, effizienter und anpassungsfähiger zu machen sowie gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die Organisationsentwicklung basiert auf Erkenntnissen der Verhaltens- und Sozialwissenschaften, insbesondere der Arbeits- und Organisationspsychologie. Sie nutzt gruppendynamische Prozesse, Moderation und partizipative Methoden, um Verhaltens- und Einstellungsänderungen herbeizuführen. Das Thema Organisationsentwicklung verbindet wissenschaftliche Theorien mit praktischen Managementmethoden und betrachtet das Unternehmen als Gesamtsystem. Zudem ist OE kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher, langfristig angelegter Prozess der Veränderung und organisationalen Weiterentwicklung. In Wissenschaft und Praxis hat die Organisationsentwicklung seit den 1960er Jahren an Bedeutung gewonnen, da Organisationen in einem immer schneller wandelnden Umfeld bestehen müssen, um agil und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Geschichte der Organisationsentwicklung

Das Konzept der Organisationsentwicklung entstand kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA. Den Ursprung bildeten sogenannte Organisationslaboratorien (Training in unstrukturierten Klein- und Großgruppen) und der Survey-Feedback-Ansatz (Einbeziehung der Betroffenen durch Umfragen) im Umfeld des MIT. In dieser frühen Phase begannen Forscher, Erkenntnisse der Gruppendynamik auf Unternehmen und größere Organisationen zu übertragen. In den 1940er Jahren führte der Psychologe Kurt Lewin neue Konzepte wie die Aktionsforschung und gruppendynamische Trainings ein, um organisationalen Wandel wissenschaftlich zu untermauern. Sein bekanntes 3-Phasen-Modell (Unfreezing – Moving – Refreezing) war eines der ersten systematischen Modelle für Veränderungsprozesse in Organisationen. Parallel dazu untersuchte in Großbritannien das Tavistock Institute of Human Relations die Auswirkungen technologischer Veränderungen auf die Arbeitswelt und entwickelte den soziotechnischen Ansatz. Der Begriff Organisationsentwicklung wurde in den 1960er und 1970er Jahren von verschiedenen Wissenschaftlern und Praktikern der Sozialwissenschaften aufgegriffen und durch gruppendynamische Workshops (z.B. Sensitivitätstrainings in T-Gruppen) weiter verbreitet. In den 1980er und 1990er Jahren entwickelte sich die Organisationsentwicklung als Reaktion auf zunehmende globale Wettbewerbsbedingungen und technologische Umbrüche weiter. Schwerpunkte lagen nun auf dem Change Management, der Entwicklung von Führungskräften und einer stärker interkulturellen Ausrichtung. Seit der Jahrtausendwende erfordert das digitale Zeitalter eine noch höhere organisatorische Anpassungsfähigkeit: Agile Methoden, Digitalisierung und Datenanalyse sind zu wichtigen Treibern der Organisationsentwicklung geworden. Moderne OE-Initiativen helfen Unternehmen, sich kontinuierlich auf schnelle Veränderungen einzustellen und eine Kultur des kontinuierlichen Lernens und der kontinuierlichen Verbesserung aufzubauen, um langfristig resilient und erfolgreich zu sein.

Gründe für Veränderungen

Veränderungen in Organisationen werden durch vielfältige Faktoren ausgelöst, die grundsätzlich in interne und externe Gründe unterteilt werden können. Organisationsinterne Auslöser liegen oft in der Unzufriedenheit mit der aktuellen Leistungsfähigkeit interner Abläufe. Häufig besteht beispielsweise Bedarf an der Optimierung von Arbeitsprozessen, insbesondere um Informationsverluste an Schnittstellen zwischen Abteilungen zu vermeiden. Auch die Neuausrichtung von Machtstrukturen bzw. Machtkonstellationen in Teams kann ein Grund für Veränderungsinitiativen sein, etwa wenn starre Hierarchien abgebaut werden sollen. Zusätzlich spielen motivationsbezogene Faktoren eine Rolle – so kann das Management Veränderungen anstoßen, um die Unternehmenskultur zu verbessern oder die Innovationsfähigkeit zu erhöhen. Neben diesen internen Gründen gibt es diverse organisationsexterne Auslöser für Wandel: Technologische Veränderungen (etwa die Einführung neuer IT-Systeme oder Automatisierungstechnologien) und ein verschärfter Wettbewerb im Markt zählen zu den wichtigsten. Ebenso können sich veränderte gesetzliche oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen, neue Kundenanforderungen oder gesellschaftliche Trends (z.B. der Ruf nach nachhaltigem Wirtschaften) maßgeblich auf Unternehmen auswirken und Anpassungen notwendig machen. Solche externen Veränderungen zwingen Organisationen, sich kontinuierlich anzupassen.

Ziele der Organisationsentwicklung

Im Mittelpunkt der Organisationsentwicklung steht die Steigerung der Gesamteffektivität und Leistungsfähigkeit des Unternehmens bei gleichzeitiger Erhöhung der Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen (organisatorische Resilienz). Konkret zielt OE darauf ab, die organisatorische Effizienz zu verbessern, unnötigen Aufwand zu verringern und die Produktivität zu erhöhen. Ein wichtiges Ziel ist auch, die unternehmensweite Kommunikation und Zusammenarbeit zu optimieren, was einen besseren Informationsfluss und effizientere Teamarbeit ermöglicht. Darüber hinaus sollen OE-Maßnahmen die Mitarbeiterzufriedenheit und Motivation erhöhen. Eine größere Beteiligung der Beschäftigten an Veränderungen, eine verbesserte Führungskultur sowie Investitionen in die Personalentwicklung können beispielsweise die Motivation fördern und die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen stärken. Ebenso wird angestrebt, eine positive, lernorientierte Organisationskultur zu etablieren, die von Vertrauen und Offenheit geprägt ist. Nicht zuletzt hat OE das Ziel, Produkte und Dienstleistungen zu verbessern, um Qualität, Innovationsfähigkeit und Kundenorientierung zu steigern. All diese Faktoren tragen dazu bei, den Erfolg einer Organisation nachhaltig zu erhöhen. Zusammengefasst soll die Organisationsentwicklung das Unternehmen insgesamt effizienter und erfolgreicher machen.

Prozess und Methoden der Organisationsentwicklung

Grundsätzlich ist es erfolgskritisch, die Betroffenen frühzeitig in den Veränderungsprozess einzubeziehen. Solche Veränderungsinitiativen gelingen am besten bei größtmöglicher Beteiligung von Führungskräften und Mitarbeitern aus allen Bereichen. Die eigentliche Umsetzung des Wandels erfolgt dann häufig in Form von Workshops, Trainings und Pilotprojekten. In temporären Arbeitsgruppen (Projektteams) entwickeln Führungskräfte und Mitarbeiter mitarbeitendLösungsansätze für bestehende Probleme. Für umfangreiche Veränderungsvorhaben werden häufig auch Großgruppen-Veranstaltungen eingesetzt; Methoden wie Open Space oder World Café ermöglichen es, eine große Zahl von Beteiligten parallel einzubinden und vielfältige Ideen zu sammeln. Ein weiteres Merkmal der OE ist die professionelle Moderation des Veränderungsprozesses durch interne oder externe Berater. Diese Moderation unterstützt Gruppen dabei, effektiv zusammenzuarbeiten, und sorgt dafür, dass alle relevanten Interessengruppen (Stakeholder) einbezogen werden. Im Unterschied zum traditionellen Personalmanagement (Personalwesen), das sich vorrangig mit administrativen Personalaufgaben befasst, betrachtet die OE die gesamte Organisation und verankert Veränderungen in der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Auch der Begriff des Change Managements wird häufig im Zusammenhang mit OE verwendet: Er bezeichnet die operative Umsetzung von Veränderungen in einzelnen Projekten, während OE an langfristigen Veränderungsprozessen des gesamten Unternehmens ansetzt.

Organisationsentwicklung in der Praxis

Angesichts des schnellen wirtschaftlichen und technologischen Wandels stehen Unternehmen heute fortlaufend vor neuen Herausforderungen. Die Organisationsentwicklung hat sich in der Praxis als wichtiges Instrument etabliert, um solche Herausforderungen zu bewältigen und Organisationen anpassungsfähig und innovativ zu halten. Damit OE-Projekte erfolgreich sind, ist eine klare Unterstützung durch die oberste Führungsebene und das aktive Mitwirken der Belegschaft erforderlich. Häufig müssen dabei festgefahrene Gewohnheiten und überkommene Strukturen aufgebrochen werden, was zu Beginn nicht selten auf Widerstände stößt. Insbesondere eine tiefgreifende Kulturveränderung erweist sich als langwieriger Prozess, da neue Werte und Verhaltensweisen nur schrittweise in den bestehenden Strukturen verankert werden können. Mit konsequenter Führung, einer offenen Kommunikations- und Feedbackkultur und stetiger Einbindung der Mitarbeiter lassen sich jedoch nachhaltige Veränderungen bewirken. Bei sehr einschneidenden Veränderungen – etwa einer Umstrukturierung eines Unternehmens infolge einer Fusion oder Übernahme – hilft ein OE-gestützter Veränderungsprozess, den Übergang für alle Betroffenen möglichst reibungslos zu gestalten. Organisationsentwicklung wird heute in unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt – nicht nur in Großunternehmen, sondern ebenso in mittelständischen Betrieben, öffentlichen Verwaltungen, Bildungseinrichtungen und Non-Profit-Organisationen. Durch einen ganzheitlichen OE-Ansatz können auch diese Organisationen interne Herausforderungen besser bewältigen, ihre Kommunikation und Zusammenarbeit verbessern.

Literatur und Quellen

Becker, H. & Langosch, I. (2002). Produktivität und Menschlichkeit: Organisationsentwicklung und ihre Anwendung in der Praxis. Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg.

Beckhard, R. (1969). Organization Development: Strategies and Models. Reading, MA: Addison-Wesley.

Cummings, T. G. & Worley, C. G. (2018). Organization Development and Change (11. Auflage). Boston: Cengage Learning.

Lewin, K. (1947). Frontiers in group dynamics: Concept, method and reality in social science; social equilibria and social change. Human Relations, 1(1), 5–41.

IBM (2023). Was ist Organisationsentwicklung? (Themenportal). IBM Deutschland, veröffentlicht 22. November 2023.

Treiber, T: Vitale Organisatonsentwicklung - Was ist das eigentlich? 2025.